Am alten kopfsteingepflasterten Hafen von Sønderborg befindet sich eine der bekanntesten Weinbars in Dänemark. Der Name ist Visselulle, und die gerahmten Auszeichnungen an der Wand zeigen, dass hier nicht nur die Ambitionen hochkarätig sind: Dies gilt auch für das Produkt.

Kulturleben

„Ich denke, es ist für mich persönlich, aber auch für Sønderborg großartig, dass wir neben den ganz großen Namen Anerkennung finden“,meint Inhaber Kristian Lykke-Krogh. Vier Jahre ist es her, dass er während der Pandemie im März 2020 zum ersten Mal das Fenster öffnete und Wein nach draußen an seine Gäste ausschenkte. Obwohl die geplante Eröffnung schweren Herzens auf einen Fensterservice in Plastikbechern beschränkt werden musste, wurde die Visselulles Weinbar von ihrem qualitätsbewussten Publikum begeistert aufgenommen und war umgehend ein großer Erfolg.

Die Weinbar befindet sich zwischen dem Schloss und der Brücke König Christian X. am alten Hafen, der im Sommer gerne auch mit dem Hafen Nyhavn in Kopenhagen verglichen wird. Hier können Weinfans rubinrote Tropfen der erlesensten Rebsorten und Jahrgänge aus dem Burgund kennenlernen, während sie die Aussicht auf den Alssund und das Treiben an der Hafenpromenade genießen. Dies ist ein Erlebnis, für das man anderswo viel Geld ausgeben muss, denn die exklusiven Weine werden zumeist nur flaschenweise verkauft, betont Kristian Lykke-Krogh. Und genau dies unterscheidet die Visselulles Weinbar von anderen Orten – und wird für diesen Mut belohnt.

„Wir servieren einige unserer exklusivsten Weine auch glasweise. Dies ist ungewöhnlich für eine Weinbar und sichert uns einen Platz an der Spitze der dänischen Weingastronomie“, erklärt er.

„Wir servieren einige unserer exklusivsten Weine auch glasweise. Dies ist ungewöhnlich für eine Weinbar und sichert uns einen Platz an der Spitze der dänischen Weingastronomie“.
Kristian Lykke-Krogh
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Inhaber

„Und ja, dadurch besteht ein Risiko, dass die Weinflaschen nicht komplett verkauft werden. Aber dies geschieht nahezu immer, denn ein nicht unerheblicher Teil unserer Gäste möchte gerne ihren Weinhorizont erweitern, und bei uns geht dies auch mit einem einzelnen Glas. Wir bieten zum Beispiel den Domaine De La Romanée Conti, Vosne-Romanée 1. Cru Cuvee DuvaultBlochet im Glas an, der 1.200 Kronen für 5 cl kostet.“ Er betont zugleich, dass die Visselulles Weinbar auch Weine für diejenigen anbietet, die ein gutes Glas zu einem weitaus günstigeren Preis genießen möchten.

Die Visselulles Weinbar befindet sich direkt am Hafen und ist eine absolute Perle. Dieser Ort zieht viele einheimische und ausländische Feinschmecker an. Links von der Visselulles Weinbar bietet die Iskonditoriet hausgemachtes Eis an, das zum besten Dänemarks gekürt wurde, während das Nachbarlokal auf der rechten Seite authentische, hochwertige französische Bistroküche zu einem vernünftigen Preis serviert.

Die Visselulles Weinbar selbst zieht all jene an, die ein besonders gutes Weinerlebnis und vielleicht einen Snack in Form von Foie Gras, Sardinen, Kaviar oder einer anderen Leckerei aus Konserven genießen möchten – die Kristian Lykke-Krogh gerne als konservierte Herrlichkeiten bezeichnet.

„Es ist genau diese Kombination aus großartigen Möglichkeiten, um die Geschmacksnerven zu verwöhnen und sich gleichzeitig in der gemütlichen und charmanten Hafengegend aufzuhalten, die den besonderen Reiz ausmacht. Teil dieses Umfelds sein zu können, ist zweifellos ein großer Vorteil für uns“, erklärt er.

 

Ein Traum, der zerplatzt ist

Dass Kristian Lykke-Krogh heute in der dänischen Weinszene so eindrucksvoll vertreten ist und von seiner Leidenschaft für Wein lebt, war jedoch nicht der Karriereweg, den er sich als junger Mann vorgestellt hatte. Weit gefehlt. Hätte er dies gewusst, als er mit 19 Jahren mit einer kaputten Schulter, einem Bänderriss und einem zerplatzten Traum auf dem kalten Fußboden einer Sporthalle lag, hätte sich die Hoffnungslosigkeit damals wohl nicht ganz so übermächtig angefühlt wie in jenem Moment.

Er hatte seit seinem 2. Lebensjahr Handball gespielt. Seine Karriere begann als Profihandballer im Alter von 17 Jahren, als er in Svendborg lebte, wo er im dänischen Team mit Anja Andersen als Trainerin spielte. Und an jenem schicksalhaften Tag stand er zum ersten Mal als aufstrebendes Talent als Teil der Handballmannschaft SønderjyskE auf dem Platz.

„Ein anderer Spieler ist in mich hineingerannt und hat mich derart hart getroffen, dass die Bänder in meiner Brust und um mein Schulterblatt herum gerissen sind. Mein Arm hing nur noch runter. In dem Augenblick wusste ich, dass es vorbei war. Dies führte zu vielen vergossenen Tränen. Ich sollte eigentlich an einem Treffen der Jugendnationalmannschaft teilnehmen, um zu trainieren und danach für die Olympischen Spiele ausgewählt zu werden“, erzählt er.

Er hatte sich zuvor bereits zwei Knieoperationen unterzogen und ihm fehlte noch eine dritte. Diese wurde durchgeführt, als seine Schulter operiert werden musste, um die Narkose gleich doppelt auszunutzen. Dadurch hatte das neue Leben, das er sich nun in Sønderborg aufbauen musste, einen schweren Start. Er brauchte zwei Krücken, aber er konnte nur einen Arm benutzen.

„Ein Arm war an meinen Bauch geschnallt, sodass ich nur eine Krücke halten konnte. Ich war wieder bei meinen Eltern eingezogen, die im ersten Stock wohnten, sodass ich jeden Tag mit einer einzigen Krücke die Treppe hinauf und hinunter humpeln musste, um mein operiertes Knie zu schonen. Dies dauerte 8 Wochen. Da ich nun nicht mehr in Svendborg spielte, musste ich das letzte Jahr meiner Ausbildung an der HTX in Sønderborg absolvieren, also fuhr mich meine Mutter jeden Tag zur Schule und holte mich ab.“

Nach seinem Abschluss entschied er sich, nach Kopenhagen zu ziehen. Er begann ein Studium der Energietechnik und lernte bald seine jetzige Frau Mie Simone Lykke-Krogh kennen, mit der er heute zwei Söhne hat.

Ein Praktikum bei ProjectZero brachte ihn für einige Zeit zurück nach Sønderborg, wo er erlebte, wie sich seine Heimatstadt innerhalb nur weniger Jahre zu einer noch lebendigeren und interessanteren Stadt entwickelt hatte. Daher konnte er es sich gut vorstellen, definitiv zurückzukehren und sich hier niederzulassen. Als man ihm eine Festanstellung anbot, sagte er folglich zu. Mie war von der Idee ebenfalls angetan und fing eine Ausbildung an der Pflegefachschule in Sønderborg an.

„Dies alles war genau das Richtige für uns, dies konnten wir spüren. Ein einfaches Leben mit viel frischer Luft und Natur und gleichzeitig guten Möglichkeiten, die Stadt zu nutzen und Cafés und gute Restaurants zu besuchen. Wir haben diese Entscheidung nie bereut. Hätten wir nicht hier gewohnt, hätten wir nicht genug finanziellen Spielraum gehabt, um von einem einzelnen Einkommen zu leben, während ich die Visselulles Weinbar aufbaute“, erklärt Kristian Lykke-Krogh, der sich gerne auch als „Kind von Sønderborg“ bezeichnet.

„Hätten wir nicht hier gewohnt, hätten wir nicht genug finanziellen Spielraum gehabt, um von einem einzelnen Einkommen zu leben, während ich die Visselulles Weinbar aufbaute“.
Kristian Lykke-Krogh
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Inhaber

Das Jugendzimmer als Lagerort für exklusiven Wein

Bereits in jungen Jahren interessierte sich Kristian Lykke-Krogh für Wein. Während des Sommers arbeitete er im Årøsund Badehotel, das dem Cousin seiner Mutter gehörte. Schnell war er fasziniert von der Restaurantbranche und nicht zuletzt von der Leidenschaft des Personals für Wein. Gelegentlich arbeitet er auch im Dyvig Badehotel, wo sein Interesse für Wein wuchs.

Mit einem Sinn fürs Geschäftliche und einem passablen Handballgehalt auf dem Konto kaufte er im Alter von 18 Jahren für 15.000 DKK Wein über den Online-Markplatz „Den Blå Avis“.

„Ich sah eine Anzeige einer Frau, die ihren Mann verloren hatte und nun den Inhalt seines Weinkellers verkaufen wollte. Ich wusste nicht viel über Wein, aber sie schickte mir eine Liste, auf der ich sehen konnte, woraus die Sammlung bestand und für welchen Preis die Flaschen gekauft worden waren. Da sie diese zu einem günstigeren Preis verkaufen wollte, als diese eingekauft worden waren, dachte ich, dass dies mit Sicherheit ein guter Handel ist. Also kaufte ich einen Weinkühlschrank für mein Zimmer und fuhr nach Vedbæk, wo ich knapp 100 Flaschen Wein abholte“, erzählt er.

Die Investition erwies sich als gut, und Kristian genoss es, die gekauften Weine zu probieren. Nach und nach baute er ein Netzwerk auf, das sich ebenfalls für Wein interessierte, und nach fünf Jahren Beschäftigung bei ProjectZero und Sønderborg Varme wollte er etwas Neues ausprobieren. Also beschloss er, sich ganz auf Wein zu konzentrieren.

„Einige meiner Weinfreunde betreiben eine Weinbar in Skagen, und so durfte ich meine neue Weinbar mit deren Produkten bestücken und musste erst dann für diese bezahlen, wenn ich diese bei mir vor Ort verkaufen konnte. Zur gleichen Zeit übernahm ich die Wohnung unter der Wohnung meiner Eltern und bat Familie und Freunde, mir bei der Einrichtung zu helfen. Ich hätte mir vorgestellt, dass die Weinbar „Wein und Konserven“ (Vin og dåsemad) heißen sollte, aber dies wurde mir ausgeredet. Stattdessen habe ich die Bar nach Visselulle benannt“, sagt er und erklärt:

„Ich hätte mir vorgestellt, dass die Weinbar „Wein und Konserven“ (Vin og dåsemad) heißen sollte, aber dies wurde mir ausgeredet. Stattdessen habe ich die Bar nach Visselulle benannt“.
Kristian Lykke-Krogh
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Inhaber

„Visselulle war der Spitzname der einzigen weiblichen Hafenarbeiterin, die jemals in Sønderborg gearbeitet hat. Dies war Ende des 19. Jahrhunderts. Sie war 190 cm groß, und es hieß, dass sie am Zahltag jeweils in die lokale Hafenkneipe kam, wo sie ihren betrunkenen Ehemann abholte, ihn über die Schulter warf und ihn nach Hause brachte. Dies brachte ihr den Spitznamen „Visselulle“ ein, was eine Bezeichnung dafür ist, ein Kind zum Schlafen zu bringen. Dies zeugt von Mut und Stärke, und deshalb wollte ich meine Weinbar nach ihr benennen“, erklärt Kristian Lykke-Krogh.

 

Ein Eröffnungstag mitten im Lockdown in Dänemark

Freunde und Familie hatten hart gearbeitet, um den Eröffnungstag am 27. März 2020 vorzubereiten. Der Tag rückte näher und Kristian Lykke-Krogh war bereit. Das Lokal sah genau so aus, wie er es sich erträumt hatte. Er war mit der Produktpalette absolut zufrieden und freute sich darauf, dass sich seine Investitionen bald auszahlen würden.

Einige Wochen vor der Eröffnung, am 11. März 2020, saß er jedoch wie die meisten Menschen in Dänemark vor dem Bildschirm und hörte zu, wie die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen eine Pressekonferenz mit den folgenden Worten begann:

„Was ich heute Abend sagen werde, wird große Konsequenzen für alle Menschen in Dänemark haben.“ Und andere unheilverkündende Sätze wie:

„Ich will auch ganz ehrlich sagen, dass unser Land dies nicht ohne Verluste überstehen wird. Unternehmen werden Verluste erleiden. Manche Menschen werden leider ihre Arbeit verlieren.“

Dies alles war zunächst komplett unvorstellbar, betont Kristian Lykke-Krogh. Was wird nun geschehen? Was ist mit der Eröffnung? Was ist mit der Kundschaft und den Einnahmen, die doch bald kommen sollten? Kristian prüfte alle Möglichkeiten und sprach mit seinem Buchhalter. Es wurde schnell klar, dass er keine Unterstützungspakete beantragen konnte, sodass ihm nur die Möglichkeit blieb, auf irgendeine Weise dennoch zu eröffnen.

„Also habe ich am 27. März 2020 das Fenster geöffnet. Ich werde dieses Datum nie vergessen. Wir hätten eine Eröffnungsfeier geplant, zu der sich über unsere Facebook-Veranstaltung 1400 Personen angemeldet hatten. 

Ich habe auf das Schild an der Straße geschrieben: ‚Wein zum Mitnehmen‘, und dann haben die Gäste ihren Wein in einem Plastikbecher serviert bekommen. Manchmal kauften zwischen 60 und 100 Personen einen Becher und genossen diesen am Hafen. Zudem habe ich eine Reihe von Weinkisten zusammengestellt, die wir zu den Kundinnen und Kunden gefahren und ausgeliefert haben“, erzählt er weiter.

„Ich werde dieses Datum nie vergessen. Wir hätten eine Eröffnungsfeier geplant, zu der sich über unsere Facebook-Veranstaltung 1400 Personen angemeldet hatten“. 
Kristian Lykke-Krogh
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Inhaber

Als Visselulles Weinbar endlich mit Sitzplätzen eröffnen durfte, war der Kundenstamm bereits groß. Dies war am Mittwoch, dem 20. Mai. Es war erst 15 Uhr, und die Visselulles Weinbar wurde, wie Kristian berichtet, bereits von Kundinnen und Kunden überschwemmt, die am Hafen standen und darauf warteten, dass die Tür geöffnet wurde.

In allen vier Jahren seit ihrer Eröffnung hat die Visselulles Weinbar einen Gewinn erzielt. Anfangs bestand das Team nur aus Kristian selbst, der jedoch viel Unterstützung von seinen Eltern und seiner Frau erhielt, und die Weinkarte bestand nur aus zwei Seiten. Heute ist der Wein, den er in Kommission genommen hat, längst abbezahlt, und die Lagerbestände gehören ihm. Zum Personal gehören nun auch ausgebildete Sommeliers und die Weinkarte umfasst ganze 34 Seiten.  

„Wir haben einen langen Weg zurückgelegt, und dies war eine wunderbare Reise. Ich bin ziemlich stolz darauf, dass ich dazu beigetragen habe, Sønderborg auf die gastronomische Landkarte zu bringen, denn die Visselulles Weinbar wurde in derselben Kategorie wie dänische Spitzenlokale wie das Syttende, Kong Hans Kælder, Alchemist, Geranium, Jordnær und Kadeau für Preise nominiert. Ich sehe es als eine wunderbare Anerkennung für die harte Arbeit, die ich in den letzten Jahren zusammen mit meinen großartigen Mitarbeitenden geleistet habe, und nicht zuletzt für die vielen tollen Kundinnen und Kunden, die immer wieder gerne hierher kommen“, erklärt er und versichert, dass die Reise für die Visselulles Weinbar hier noch lange nicht zu Ende ist.